In dieser Artikelserie präsentiere ich selbst gefertigtes 3D Druckwerk. Alle Druckstücke dieser Serie sind von mir selbst modelliert. Fremdmodelliertes ist hier nicht zu finden. Die Serie zeichnet ein eindrucksvolles Bild der schrittweisen Fortentwicklung meiner 3D-Modellierungs und -druckfähigkeiten. Die Serie beginnt mit naiven Plastikfadenwerken und endet – vermutlich in einigen Jahren – mit Kleinodien der 3D Druckkunst, die Sie und auch mich selbst in Staunen versetzen werden…
Von links nach rechts: der Original-Hebel, der Prototyp-Hebel,
und der unübersehbare, endgültige Hebel
Ja was hat den die Kaffeemaschine für eine lustig rote Nase? Ist das die Faschings-Edition?
Weit gefehlt lieber Leser! Und Sie ahnen es bereits: auch diese Episode der 3D Druckkunst erfordert, dass ich etwas aushole.
Wir Konsumenten kennen ja alle die Landplage des 21. Jahrhunderts: die (vermutlich) geplante Obsoleszenz. Hier ein neues Kapitel: die Petra Kaffeemaschine, die eigentlich nach dem Kauf einen sehr guten Eindruck, und auch einen passablen Kaffee machte.
Alles hätte so schön sein können, wäre da nicht eines Tages der Kaffeetabfixierungshebel (oder wie man dieses Teil auch nennt) schwach geworden. Knick, knack, Hebel ab!
Man führe es sich nochmals vor Augen. Man kauft ein Elektrogerät mit allerlei ausgefuchsten Komponenten und Funktionen (Wasserpumpe, Elektronische Steuerung, diversem LED Geblinke in verschiedenen Farben, Milchschäumer, Dampfauslass, Pi Pa Po), und dann geht was kaputt?
Ein Hebel mit einem Wert von geschätzten 4 Cent. Die Kaputtheit eines windigen Hebels, kann heutzutage tatsächlich eine ansonsten funktionsfähige Maschine komplett entwerten.
Konsumentenreflex: Maschine wegwerfen, neue kaufen.
Maker-Reflex: 3D Drucker aufheizen.
Wer meine bisherigen 3D-Drucke kennt, der ahnt schon, dass die Lösung keinesfalls eine nahezu identische Kopie des Originalhebels sein kann. Mein erster 3D Druck war daher zunächst ein Prototyp zum Test der haptischen und mechanischen Eigenschaften des Hebels.
Nachdem die Tester ihre Zufriedenheit mit dem Prototypen signalisierten, trat der Produktdesigner auf den Plan, also wieder ich. Und nun begann der schwierigere Prozess. Bei der Obsoleszenz-Ersatzteilfertigung geht es mir nicht nur um Funktion und Optik – es geht auch immer um ein Statement.
Um das richtige Statement zu finden, führe ich immer ein Gedankenexperiment wie dieses durch: ich sitze am Küchentisch und trinke einen frisch gezapften Kaffee. Vor mir liegt der abgebrochene Kaffeehebel. Die Küchentür geht auf, und herein kommt der Petra Kaffeemaschinen-Chefdesigner. (Gerade noch befand sich selbiger Designer in seinem Büro, doch als er sein Büro Richtung Flur verlassen wollte, landete er wegen eines Risses im Raum-Zeit-Kontinuum in meiner Küche.)
Der Designer betritt also meine Küche, und sein erster Blick fällt auf die von ihm designte Kaffeemaschine. Gerade will er sich ausgiebig über das gelungene Design freuen, als er bemerkt, dass noch jemand im Raum ist: ich.
Er sieht zuerst mich an, dann bemerkt er den vor mir liegenden, abgebrochenen Kaffeehebel. Er sieht mich nochmals an, und merkt, dass sich mein Blick in Sekundenbruchteilen verfinstert. Er kann meinem bohrenden Blick nicht mehr standhalten, und muss seinen Blick eingeschüchtert abwenden. Er sucht in der Küche verzweifelt nach etwas vertrautem, etwas beruhigendem. In diesem hochgradig verunsicherten Moment fällt dem Designer ein, dass er doch kurz zuvor seine Petra Kaffeemaschine gesehen hatte, und genau dieses vertraute Kaffeemaschinendesign will er jetzt zur Beruhigung ansehen.
Der Blick des Designer heftet sich Schutz suchend an die Kaffeemaschine, doch dann springt ihm der von mir designte Hebel ins Gesicht.
Die Design-Problemstellung lautet also: wie muss ein neu designter Hebel aussehen, damit der Designer in diesem Moment eine traumatische Erfahrung macht, die er in seinem Leben nie wieder vergessen wird.
Das Ergebnis sehen sie oben. Die Formgebung des Prototypen wurde weitestgehend erhalten: eine rohe, kantige, brutale Form. Eine derart harte Formsprache findet sich nirgends sonst an der Kaffeemaschine. Der Kontrast zum restlichen Design könnte größer nicht sein.
Zur Farbwahl. Wie sie am obigen Prototypen sehen: Schwarz wäre durchaus eine Option gewesen. Alternativ hätte es auch weißes Filament gegeben. Zudem hält mein Design-Lager auch eine Vielzahl an Lacken in unterschiedlichsten Farbschattierungen bereit. Gewählt habe ich dann natürlich das Rot mit Maximalkontrast, das sich an sonst keiner anderen Stelle der Maschine wiederfinden lässt. Den Aufwand der Lackierung habe ich mir – natürlich – gespart.
So, jetzt kennen Sie die kleine Geschichte des Kaffeemaschinenhebels. Sei noch erwähnt, dass mein Kaffeemaschinenhebel etwa 4 Jahre gut gehalten hat. Irgendwann gab er dann nach, so dass ich ihn durch einen 3D-Druck-Reservehebel ersetzen musste. Nach weiteren 4 Jahren zickte dann die Pumpe herum, und begann eines Tages zu stinken. Nach 10 Jahren wandert die Petra Kaffeemaschine nun wegen potentieller Brandgefahr auf den Sperrmüll – leider. Immerhin konnte ich die (vermutlich) geplante Lebenszeit der Maschine um Faktor fünf verlängern.